Umgang mit Kritik

In manchen Familienunternehmen entwickelt sich der Irrglaube, das System „Unternehmen“ sein unfehlbar. Reflektion findet wenig, bis nicht mehr statt und jedweder Kritik wird mit rigoroser Gegenwehr entgegengetreten. Kritiker werden harsch angegangen und zum Schweigen gebracht. Diese mangelhafte Fehlerkultur führt dazu, dass Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung verstummen und keinerlei Verbesserungsvorschläge mehr einbringen. Sie fühlen sich in der Situation gefangen und resignieren. Dienst nach Vorschrift kann die Folge sein, oder gar die innere Kündigung. Selbst wenn Führungskräfte noch motiviert sind, Dinge zu bewegen und Neuerungen zu implementieren, scheitern sie spätestens bei der Umsetzung in höherer Ebene. Dieser Kreislauf führt zu noch stärkerer Resignation.

Doch wie kommt es dazu, dass Führungskräfte in diesen Strukturen auch selbst irgendwann nicht mehr die Verantwortung übernehmen und kritische Worte finden?
Wie kommt es zu der Situation, die wir aus dem Märchen „des Kaisers neue Kleider“ kennen.

Des Kaisers neue Kleider

In diesem Märchen fällt der Kaiser Betrügern zum Opfer, die ihm neue Kleider schneidern und dafür viel Geld kassieren. Tatsächlich schneidern sie jedoch gar nichts, die Kleider sind sozusagen unsichtbar. Am Ende des Märchens präsentiert der Kaiser die (nicht vorhandenen) Kleider bei einem Festumzug. All seine Vasallen aber auch das gesamte Volk traut sich bis dahin nicht, etwas zu sagen und den Kaiser auf seinen Irrtum hinzuweisen und feiert den Kaiser und seine neuen Kleider. Nur ein kleines Mädchen ruft „Aber er hat ja nichts an!“

Erst dann traut sich das Volk mit einzustimmen und der Betrug kommt ans Licht.

Die Lektion aus dem Märchen

Das Märchen zeigt sehr schön, wie es zu einer wie oben beschriebenen Fehlerkultur kommen kann. Zunächst ist durch eine klare Hierarchie nur ein gewisser Kreis von Menschen überhaupt berechtigt, dem Kaiser oder in unserem Falle der Unternehmensleitung beratend zur Seite zu stehen. Die Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung sehen „den Kaiser“ erst beim Festumzug, erleben also nur die Auswirkungen von Entscheidungen. Aber warum haben die Minister die sogar die Produktion der Kleider überwachten nichts gesagt?
Warum verstummen auch Führungskräfte und nehmen ihre Beratungspflichten nicht mehr wahr?
Die Minister hatten Sorge, dass Ihre eigene Dummheit ans Licht kommt. Sie kamen nicht auf die Idee, dass Ihr Kaiser einem Irrtum aufgesessen war. Seine Autorität konnte nicht in Frage gestellt werden. Genau das ist der Knackpunkt, der auch in vergleichbaren Fällen in Familienunternehmen vorliegt. Die Führungskräfte haben in verschiedenen Situationen erlebt, wie mit Kritik und Kritikern umgegangen wurde. So zweifeln Sie an Ihrer notwendigen Berechtigung weiterhin als solche aufzutreten. Sie scheuen die Auseinandersetzung oder auch, dass ihnen ähnliches widerfährt.
Ehrliche Führungskräfte sind der Schutz vor Niederlagen
Der Schaden des Ansehens des ganzen Hofstaates des Kaisers zeigt jedoch, was ein Verstummen der Führungskräfte für ein Unternehmen bedeuten kann.
Führungskräfte in beratender Funktion der Unternehmensleitung müssen auch den steinigen Weg gehen, um das Unternehmen vor Schaden zu bewahren. Wer möchte schon, dass die Unternehmensführung am Ende nackt dasteht?

Natürlich ist es an der Unternehmensführung offen mit Fehlern umzugehen. Genauso ist es aber auch Verantwortung der Führungskräfte ehrlich und beratend ihre Funktionen wahr zu nehmen und den Erfolg des Unternehmens zu stärken und es vor Fehltritten zu bewahren.

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Emperor_Clothes_01.jpg