Herkunft des Wortes Guru

Das Thema Unternehmensführung nimmt in manchen Familienunternehmen interessante, gar Guru-gleiche Formen an.

Zunächst stellt sich mir bei diesem Thema die Frage, was ist überhaupt ein Guru und wie wird man zu einem Guru?
„Guru“ kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „schwer, gewichtig“. Guru ist ein religiöser Titel, der im Hinduismus, im Sikhismus und im tantrischen Buddhismus genutzt wird und bedeutet Lehrer.
Es gibt ein Sprichwort das übersetzt sagt: Gurus sind so zahlreich wie Lampen in einem Haus. Wie schwierig ist es aber den Guru zu finden, der alles erhellt wie die Sonne?
Zunächst ist Guru also eine Bezeichnung, die uns nicht in irgendeiner Weise befremden sollte. Warum verbinden wir denn dann negative Eigenschaften oder Gefühle mit dem Titel Guru?

Guru und Sekten

Das Wort Guru wird häufig im Zusammenhang mit Sekten genutzt. So bezeichnen Sektenanhänger ihren religiösen Anführer als Guru und auch die Presse und Medien titulieren häufig entsprechend. Diese Gurus, ganz entgegen der ursprünglichen Bezeichnung, führen strengen Regime unter der Leitung eines dominanten Anführers.
Eines der Sektenmerkmale ist „eine zu starke hierarchische und doktrinäre Organisation“.
Doch warum verfallen Menschen Sekten und ihren Gurus?

Die Anführer solcher Sekten sind oft charismatische Überzeugungstäter mit einer Vision von einer besseren Welt. Sie verstehen es, ihre Rolle mit einem spirituellen Auserwähltsein zu begründen. Somit befriedigen sie die Sehnsucht nach Bindung in einer unverbindlichen Welt. Sie versprechen einfache Lösungen für komplexe Lebensfragen. Der seelische Nutzen der Geborgenheit ist größer als das Freiheitsbedürfnis der Sektenmitglieder.

Auch das Wort Sekte ist ursprünglich kein negativer Begriff. Es kommt aus dem Lateinischen secta und bedeutet „Partei“, „Lehre“, „Schulrichtung“.
Üblicherweise sprechen wir jedoch von Sekten und von Gurus, wenn religiöse Gruppen in irgendeiner Weise als gefährlich oder problematisch angesehen werden.
Was all diese Gruppen gemeinsam haben, ist die aufopfernde und über die Maße loyale Haltung der Mitglieder zu ihrem Anführer. So mussten zum Beispiel die Sannyasins der Bhagwan Sekte mit dem Nötigsten auskommen, wobei sich Osho, ihr Guru mit Luxus umgab. Er schmückte sich mit teuren Uhren und Glitzer-Roben. Seine Rolls-Royce-Flotte von 93 Fahrzeugen war legendär.

Guru und Familienunternehmen – was hat das miteinander zu tun?

Familienunternehmen sind ein wesentlicher Teil der Wirtschaft und prägen unsere Gesellschaft. Ein wesentliches Erkennungsmerkmal ist eine außergewöhnlich hohe Loyalität der Mitarbeiter zu dem Unternehmen, was nicht selten mit den familiären Werten zu tun hat. Gewisse Aspekte können jedoch dazu führen, dass Strukturen pathologisch werden und das Unternehmen im Erfolg und seiner Beständigkeit hemmen und notwendige Entwicklungen verhindern. Sie sind mir in verschiedenen Familienunternehmen begegnet und von Führungskräften berichtet worden. Einer dieser Aspekte ist, wenn der Unternehmensleitung eine „gurugleiche Stellung“ zukommt.

Eines der mir bekannten Unternehmen hat zum Beispiel schon in Eingangsbereich überlebensgroße Portraits der Unternehmensgründer und seinen Nachfolgern im Eingangsbereich ausgestellt. Nicht unüblich ist auch die Sonderstellung der Unternehmerfamilie was Parkplätze, Zugänge zum Gebäude, Arbeitszeiten, Büroräume und ähnliches betrifft. Auch entsprechendes demütiges Verhalten, welches durch die Unternehmer ihnen gegenüber erwartet wird, ist mir schon häufiger begegnet. So ist ihnen zum Beispiel der Vortritt bei Fahrstühlen zu gewähren oder gewisse Grußformeln einzuhalten.
Aufgrund der Lebensleistung der Familie und des Erfolges des Unternehmens sind die Mitarbeiter bereit, diese Verhaltensweisen einzuhalten. Nicht selten sind die Unternehmer tatsächlich für ihre Leistung zu bewundern und charismatische und erfolgreiche Menschen; daher fällt ein entsprechendes Verhalten nicht schwer.
Doch warum sind diese Strukturen dann schädlich? Was verhindern sie?

Agilität versus „Guruismus“

Der derzeitige Trend, oder auch die Lösung vieler Probleme ist die Wandlung der Unternehmen hin zu mehr Agilität.
Dabei existiert das Thema schon seit fast 70 Jahren in unterschiedlichen Ausprägungen und gewinnt erst heute durch die Digitalisierung eine höhere Bedeutung.
Agilität prägt sich in vier Dimensionen aus.

  • Geschwindigkeit
  • Anpassungsfähigkeit
  • Kundenzentriertheit
  • Agiles Mindset

Das Agile Mindset beinhaltet vor allem auch das Prinzip des „Servant Leadership“ oder auch das „sich in den Dienst der Mitarbeiter stellen“.
Diese Haltung erhöht den Reifegrad der Mitarbeiter, die Mitarbeiter übernehmen deutlich mehr Verantwortung und betrachten die Unternehmensherausforderungen als die eigenen die es zu bewältigen gibt. Das führt dazu, das im Einklang mit der Kundenzentrierung die Bedürfnisse der Kunden noch besser verstanden und bedient werden. Das agile Mindset ist geprägt von Dialog, Transparenz, einer Haltung des Vertrauens, einer positiven Fehlerkultur und Feedback. Mit Agilität wird auf die Anforderungen in der VUCA Welt reagiert, um langfristig erfolgreich zu sein.

Ein Guru hingegen behält die Kontrolle, gibt klare Wege vor, seine Anhänger sind weitgehend unselbständig. Alle Entscheidungen und aller Verantwortung liegt bei dem Guru.
Die Kultur ist geprägt von Absicherungsmechanismen, Monologen und engen Regeln.

Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma könnte die Idee des „dualen Betriebssystems“ sein. Nach Marc Stoffel (CEO von Haufe-umantis) bedeutet dies, das zarte Pflänzlich Agilität im Unternehmen zum Wachsen zu bringen ohne die etablierten Prozesse und Vorgehensweisen außer Acht zu lassen. Das Management müsste jedoch an erster Stelle beide Organisationsformen bedienen und nebeneinander in ihnen agieren.

In jedem Fall muss sich die Geschäftsführung gewahr werden, was der Guru-ähnliche Status für Auswirkung auf die Unternehmensentwicklung mit sich bringt.